Die Überlegungen über den Ursprung und der Natur des Seins waren der Anfang unser abendländischen Kultur. Für Tales aus Milet war der Ursprung das Wasser, Anaximenes sah in der Luft den Ursprung der Dinge. Während Pythagoras in der Zahlen die Natur des Seins suchte.
Parmenides lebte um 500 vor Christus in Elea, einer kolonialgriechischen Stadt in Unteritalien, in der Nähe von Paestum gelegen in der sich auch der etwa 40 Jahre ältere Xenophanes niedergelassen hatte. Der Überlieferung nach trat Parmenides zunächst mit Pythagoreern, aus dem nicht weit entfernten Kroton, in Verbindung. Doch bald entwickelte er seine eigene Lehre und somit eine unerreichten Höhe der Abstraktion.
Die Lehre des Parmenides hüllt sich ins altertümlich-feierliche Gewand des hexametrischen Epos
Hier ein Ausschnitte aus den Fragmenten 1 bis 8:
“Die Rosse, die mich dahintragen, zogen mich fürder, soweit nur die Lust mich ankam..
Dort ist das Tor der Bahnen von Nacht und Tag, das Tor selbst, das ätherische, hat eine Füllung von großen Türflügeln; davon verwaltet Dike, die vielstrafende, die wechselnden Schlüssel. ..
Und es nahm mich die Göttin huldreich auf, ergriff meine rechte Hand mit der ihren, und so sprach sie das Wort und redete mich an: "Jüngling, der du unsterblichen Wagenlenkern gesellt mit den Rossen, die dich dahintragen, zu unserem Hause gelangst, Freude dir! Denn keinerlei schlechte Fügung entsandte dich, diesen Weg zu kommen, sondern Gesetz und Recht. Nun sollst du alles erfahren, sowohl der wohlgerundeten Wahrheit unerschütterlich Herz wie auch der Sterblichen Schein-Meinungen, denen nicht innewohnt wahre Gewißheit.
Wohlan, so will ich denn sagen, welche Wege der Forschung allein zu denken sind: der eine Weg, daß SEIN ist und daß NICHTSEIN nicht ist, das ist die Bahn der Überzeugung , der andere aber, daß NICHTSEIN ist und daß NICHTSEIN erforderlich ist, dieser Pfad ist, so künde ich dir, gänzlich unerkundbar: denn weder erkennen könntest du das Nichtseiende noch aussprechen;
Aber nur noch ein Weg bleibt dann, daß IST ist. Auf diesem sind gar viele Merkzeichen: weil ungeboren ist es auch unvergänglich, denn es ist ganz in seinem Bau und unerschütterlich sowie ohne Ziel und es war nie und wird nie sein, weil es im Jetzt zusammen vorhanden ist als Ganzes, Eines, Zusammenhängendes....
Auch teilbar ist es nicht, weil es ganz gleichartig ist. Und es gibt nicht etwa hier oder da ein stärkeres Sein, das seinen Zusammenhang hindern könnte, noch ein geringeres; es ist vielmehr ganz von Seiendem erfüllt. Darum ist es ganz zusammenhängend; denn Seiendes stößt dicht an Seiendes”
Seiendes stößt dicht an Seiendes ohne Leerräume.
Der Raum ist voll mit SEIN.
Und im Ursprung ist es unteilbar und gleichartig.
Aber welche Form hat dieses unteilbare gleichartige atomare SEIN ?
Parmenides untersuchte es nicht weiter und für mehr als zwei Jahrtausende stelle sich auch niemand mehr diese Frage.
Der so gegen unsere Sinne stoßende Determinismus, der Bewegung und Werden verneinte, blieb zusammen mit den Paradoxen seines Schülers Zenon, ein beliebtes Gedankenspiel und nicht mehr.
Versuchen wir den Gedanken Parmenides weiter-zuverfolgen.
Das SEIN füllt den Raum ohne Leerräume
„Seiendes stößt dicht an Seiendes“
Nur wenige regelmäßige Körper füllen den Raum ohne Zwischenräume.
Im Zweidimensionalen, der Fläche, wenn man sich nur auf die regelmassigen geometrischen Formen beschränkt gelingt das nur mit Dreiecke, Rechtecke und Sechsecke
Aber auch andere Formen füllen die Flache
Das erkannten arabischen Künstler um 1300 beim dekorieren der Gewölbe ihrer Moscheen und Gebäuden. Da die moslemische Religion das Darstellen von realistischen Figuren unterstellte verwendeten sie geometrische Formen mit welchen sie die zu dekorierende Fläche füllten.
Die Alhambra in Grenada Spanien ist wohl das schönste Beispiel dieser Kunst.
Ganze Flächen sind über Rotationen, Reflexionen und Gleitverschiebungen mit symmetrischen Einzeln -Muster so gefüllt das sie keinen freien Raum zulassen.
Wie viele diese Mustertypen gibt es? In der Alhambra kann man mindestens 16 verschiedene Flächenfüllungen erkennen.
Sind die von den Künstlern intuitiv erkannten Flächenfüllungen alle möglichen Lösungen oder gibt es weitere?
Die Antwort auf diese Frage musste noch lange auf sich warten lassen.
Erst 1832 wurden von einen jungen französischem Mathematiker die Grundlagen für die Lösung dieses Problems geschaffen. Der 23-jährige Evariste Galois verfasste in der Nacht vor einem Duell die Grundlagen der modernen Algebra, ein Werk das die moderne Mathematik auf vielen Gebieten befruchtete.
In dieser Nacht bestritt Galois wohl den dramatischsten Kampf eines Wissenschaftlers gegen die verrinnende Zeit, den es je gab. Im Wettlauf mit der Uhr versuchte er, seine Theorien über die Bedingungen, unter denen eine Gleichung beliebigen Grades algebraisch lösbar ist, zu Papier zu bringen. Er beschritt dabei völliges Neuland, indem er die so genannte Gruppentheorie auf die Gleichungslehre anwandte.
Durch Anwendung der algebraischen Gruppentheorie gelingt es 1891 Fedorov, Schoenflies, und Barlow zu beweisen das es 17 verschiedene Möglichkeiten gibt die Fläche mit symmetrischen Figuren zu füllen. Diese werden auch Wallpaper Groups genannt.
Ungefähr zur selben Zeit, blüht in Wien der Judenstil, einer der Künstler rund um die Wiener Werkstätte Koloman Moser entwirft einige flächenfüllende Muster für Tapetenpapier. Zum ersten Mal ist das Muster nichtgeometrisch sondern es werden natürliche Objekte dargestellt.
Die Vollendung der periodischen Flächenfüllung mit natürlichen Mustern wird vom niederländischen Künstler Mauritius Cornelius Escher in der Nachkriegszeit verwirklicht. Nach einen Besuch in der Alhambra, fasziniert von der regelmäßigen Flächenfüllung entwickelt MC Escher über 130 flächenfüllende Muster die ihm zum beliebtesten Künstler im Kreise der Wissenschaftler machen.
Die Geschichte der regelmäßigen Flachenfüllung hat in den letzten Jahren noch ein Highlight hinter sich. Die 1960 von Wang erstellte die Vermutung daß es keine nicht-periodische regelmäßige Flächenfüllung gibt wird 1970 von Robert Berger widerlegt.
Die Lösung von Berger realisiert eine nicht-periodische Flächenfüllung mit 20.426 verschiedenen Mustern. 1971 entdeckt Sir Roger Penrose in Cambridge die Möglichkeit einer nicht-periodischen Flächenfüllung mit nur zwei symmetrischen Bausteinen. Auch Mauritius Cornelius Escher verwendete die Penrose’sche Flächenteilung für eine seiner letzten Flächenfüllungen.
Mauritius Cornelius Escher stirbt 1972 in Baarn Holland. Er hinterlässt wunderbare Intuitionen zur regelmäßigen Flächenfüllung und beschreibt somit die Form des Seins vom Parmenides.
Inzwischen hat die Einstein’sche Relativitätstheorie mit der Definition des Raum-Zeit Kontinuums der Lehre des Parmenides neue Impulse gegeben.
Die Bewegung ist in einem vollem lückenlosen Raum-Zeit Kontinuum kein Widerspruch mehr, und die Atome des Raum-Zeit Kontinuums füllen ohne Leerräume unser All ohne dessen Dynamik einzuschränken.
Auch hat die algebraische Gruppen-Theorie gefruchtet. 1962 wurde sie von Murray Gell-Mann und Georg Zweig und später von Abdus Salam und Steven Weinberg auf die damals bekannten atomaren Elementarteilchen angewandt. Somit kam es zum so genannte Standard Modell und zur Vorhersage der Existenz der Elementarteilchen W+, W- und Z0 die, wie von der Theorie vorgesehen,1982 am CERN Collider in Genf von Carlo Rubbia und Simon van der Meer entdekt wurden.
Heute versucht man ein weiterentwickeltes Standard Modell, die supersymmetrische algebraische Gauge Theorie durch die Entdeckung eines speziellen Elementarteilchen den Higgs Boson, das “Teilchen Gottes”, zu bestätigen.
Diese Theorie beschreibt alle Zustande der Materie unter den Einfluss aller bekannte Kräfte
Das Raum-Zeit Kontinuum und dessen Quantische Schwankungen wird dort durch Teilchen beschrieben die ohne Lücken alle Zustände füllen.
Hatte Parmenides vielleicht doch recht?